28.05.25 – Gastbeitrag – TikTok-Shop

Noch kein großer Verkaufsrausch

TikTok ist seit März 2025 auch Online-Shop. Dr. Ralf Deckers ist Mitglied der Geschäftsleitung beim IFH Köln sowie Leiter des Bereichs Strategic Insights & Analytics und hat exklusiv für Elektromarkt seine Einschätzung zum TikTok-Shop formuliert.

TikTok-Shop-Aufmacher-2.jpeg

TikTok-Formate der Kundenansprache werden laut Dr. Ralf Deckers Impulse in den Handel senden. © stock.adobe.de/A2Z AI

 
Dr-Ralf-Deckers-IFH-Koeln.png

Dr. Ralf Deckers © IFH Köln

 

Am 31. März 2025 ist der Startschuss für TikTok-Shop gefallen. TikTok-Nutzer können nunmehr direkt in der App einkaufen. Die Aufregung hierum war groß, die Erwartungen teils hochfliegend. Aber wie sind die Perspektiven von TikTok-Shop wirklich zu bewerten? Schauen wir einmal genauer hin und greifen wir dazu auf aktuelle Daten und Insights des IFH Köln zurück. Dann zeigt sich:

  • TikTok verfügt über eine gute Ausgangslage, die für TikTok-Shop genutzt und monetarisiert werden kann.

TikTok ist sehr gut in der jungen Zielgruppe verankert. Mehr als ein Dreiviertel der 16- bis 18-Jährigen nutzen die Plattform. Nur YouTube und Instagram haben höhere Reichweiten. Die Öffnungsrate und die Verweildauer in der App sind hoch. TikTok wirkt stark als Impulsgeber. Fast 50 % der 16- bis 18-Jährigen geben an, dort auf ein Produkt aufmerksam geworden zu sein, und das Produkt dann auch gekauft zu haben. Hier ist TikTok unschlagbar, weder Instagram noch YouTube können mithalten. Allerdings sinkt die Attraktivität von TikTok, je älter die Zielgruppe ist. Instagram und Facebook werden dann bevorzugt. Das Potenzial von TikTok-Shop wird dadurch begrenzt.

  • TikTok ist ideal auf Spontankäufe im Social Commerce ausgerichtet.

Der Social Commerce lebt vom Spontankauf. Fast zwei Drittel der Social-Commerce-Käufe sind ungeplant. Man sieht ein Video, verfolgt eine Live-Präsentation und lässt sich zum Zugreifen animieren. TikTok-Shop macht es seinen potenziellen Käufern besonders einfach. Der Weg vom Impuls zur Bestellung ist extrem kurz. Im Fokus stehen dabei die Fashion-Branche, die Bereiche Elektronik und Computer sowie Hobby und Freizeit. Der Warenkorb ist eher überschaubar. Erste Analysen zeigen Durchschnittsausgaben von 30 Euro.

  • Die erste Bilanz von TikTok-Shop ist durchwachsen.

Die Ausgangslage ist gut. Auch medial hat TikTok-Shop einen enormen Anschub erhalten. Allerdings sind erste Erfahrungen auch ernüchternd. Das Live Shopping hat von Creators und Unternehmen viel Aufwand und Kreativität gefordert. Es mag auch als Boost für die Marke und die Produktverkäufe gewirkt haben. Die Deutschen stehen dem Live Shopping jedoch verhalten gegenüber. Mittlerweile ist das Format unter Verbrauchern relativ bekannt, die Nutzungsrate hat aber kaum zugenommen (von 4 % in 2021 auf 8 % in 2024). Der große Verkaufsrausch kam nicht zustande. Einige Anbieter berichten, die Transaktionen über TikTok hätten kaum bis moderat zugenommen.

Allerdings ist es zu früh, TikTok-Shop einfach abzuschreiben. Die Budgets, die Geschwindigkeit und der strategische Wille dahinter sind enorm. TikTok wird auch über die App hinaus wirken. TikTok-Shop stützt und verstärkt die Nutzung des Onlinekanals. TikTok-Formate der Kundenansprache – direkt, visuell und authentisch – werden Impulse in den Handel insgesamt senden.

Für die Branche bedeutet das: TikTok sorgfältig beobachten (und auch mal selbst nutzen), die Affinität der eigenen Kunden zu TikTok-Shop abschätzen und daraus Gefährdungen, aber auch Chancen ableiten.