07.11.18 – Zukunft des Einkaufens

Der „dritte Ort” im Handel

Es sind zugleich aufregende und schwierige Zeiten für den Einzelhandel. Unser Gastautor Gerd Wolfram erklärt, inwiefern Geschäfte als „dritter Ort“ des Menschen eine Chance haben.

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Zählt zu den Pionieren des Einsatzes neuer, innovativer Technologien im Handel: unser Gastautor Gerd Wolfram. © © Gerd Wolfram

 

Im Jahr 2017 schlossen viele Einzelhandelsgeschäfte, der Trend setzt sich im Jahr 2018 fort. Nicht nur der schnell wachsende Online-Markt ist schuld, es gibt eine andere Bedrohung für den stationären Handel: die neue Konsum-Mentalität und neue Kundengruppen. Die Millennials (geboren zwischen 1984 und 1993) und die Generation Z (geboren nach 1993) stellen heute die größten Verbrauchergruppen. Aufgewachsen sind sie mit mobilen Geräten und mit ganz anderen Werten und Lifestyle-Wünschen als ihre Eltern. Außerdem können sie zahlreiche Produkte und Dienstleistungen in zehn Minuten auf ihren mobilen Geräten suchen und einkaufen, statt stundenlang in einem Ladengeschäft einzukaufen.

Warum sollten sie also überhaupt noch im Einzelhandel einkaufen? Der Schlüssel liegt darin, ein Umfeld zu schaffen und die Geschäfte so zu ändern, dass sie als soziale Treffpunkte dienen. Orte, wo man personalisierte Erlebnisse erfahren kann, Unterhaltung, interaktive Dienste, Restaurants und Food Courts, um die Kundenbindung und häufigere Besuche zu erzwingen.

Die Theorie von „drei Orten“

Es werden also die sogenannten „dritten Orte“ gesucht: jene Plätze, die man gerne besucht, die Ambiente und Flair haben und bei denen man gerne verweilt. Den Begriff des „dritten Ortes“ (third place) prägte bereits 1989 der Soziologieprofessor Ray Oldenburg. In seinem Buch „The Great Good Place“ zum ersten mal beschrieben, ist er heute für den stationären Handel aktueller denn je. Der Soziologe schaffte sich damals seinen eigenen „Third Place“ als Bar in der Doppelgarage seines Hauses, wo sich Menschen aus der Nachbarschaft zwanglos treffen konnten. Nach der Theorie des Professors existieren drei Orte für den Menschen:

Der „erste Ort“ und der „zweite Ort“

Der „erste Ort“ ist das eigene Zuhause, die eigene Wohnung, das eigene Haus, das man sich nach seinen Wünschen und Belieben einrichtet. In den sechziger Jahren kristallisierte sich in Amerika der „zweite Ort“ heraus: der Arbeitsplatz. Den Arbeitnehmern war es zum ersten Mal erlaubt, sich ihren Arbeitsraum bis zu einem gewissen Maß selbst einzurichten und etwas eigene Persönlichkeit einzubringen.

Der stationäre Handel als der „dritte Ort“

In den 80er Jahren entwickelte sich zunehmend das Erlebnis-orientierte Marketing, das sich auf den öffentlichen Raum bezog. Mit der Schaffung einer Wohlfühlatmosphäre in Geschäften, Hotels und allgemein öffentlichen Räumen war der Begriff des „dritten Ortes“ geboren. Die Konsumenten hielten sich zunehmend nicht mehr nur in ihren „klassischen“ Räumen wie der Stammkneipe um die Ecke, dem Fußballplatz oder dem Kino auf. Hinzu kamen Shopping Malls, Events und neue, moderne Coffee-Shops. „Dritte Orte“ sind halb-öffentlich inszenierte Lebensräume, an denen sich die Konsumenten vorübergehend wie zu Hause fühlen.

Für den stationären Handel besteht jetzt die dringende Notwendigkeit, ihre Geschäfte, Filialen und Läden zu „dritten Orten“ zu machen, um junge Kunden zu animieren, dort wieder einzukaufen.